Spielkartenherstellung in Köln nach 1700
- mit einem Kölner Tarockspiel von ca. 1845
Nähere Information zum Thema gibt Franz Braun: Köln und seine Spielkartenhersteller, Selbstverlag 1990 (Franz Braun D Köln 41, Weyertal 149). Mein Artikel fasst die Forschungsergebnisse von Franz Braun zusammen, verbunden mit einer eigenen kurzen Analyse des Kölner Tarot von ca. 1845.
Eine Kölner Kartenfabrik
In einem nicht vollständigen Kölner Haushaltsverzeichnis von 1715 mit 1800 Einträgen erscheinen 3 Kartenproduzenten in Köln:
- Flamalia, Nicolaus, ex. (d.h. "zugezogen", von extraneus = "Fremder"), Cartenmacher und Cataunenwinckel, qual. aufm Ahren mit der gr. Bürgerschaft (d.h. "gehört einer Zunft an" und hatte dafür 20 Silbertaler gezahlt), wohnt Seidtmacher
- Lockman, Andreas, Kartenmacher, ex., inqual. solvit 8.10.1714 medietatem mit 10 Rthl. (d.h. er ist noch nicht Zunftmitglied, hat aber schon 10 Reichsthaler angezahlt), wohnt Täschenmacher
- Roncour, Peter, ex. Kartenmacher, qual. zum Ahren, sed non habet die gr. Bürgerschaft (hat noch nicht die gr. Bürgerschaft, ist aber schon Zunftmitglied), verkauft auch Pampier, wohnt Newgaße
Der zuletzt genannte Petrus Roncour (es gab verschiedene Schreibweisen des Namens) verstarb 1745. Ein vermutlicher Enkel (wohnte im gleichen Hause) aus der Ehe seiner Tochter, Johann Peter Bürgers, geb. 1741, trat viel später, 1807 in einem "Tableaux des Manufactures" der französischen Verwaltung Kölns als Kartenproduzent in Erscheinung und dort wird angegeben, dass die Spielkartenfabrik schon 40 Jahre bestand, also etwa 1767 gegründet wurde. Johann Peter Bürgers starb 1814 und sein Sohn Henri Jacques Bürgers übernahm die Spielkartenproduktion inklusive eines Tabaks- und Gemischtwarenhandels. Während der französischen Regierung mussten die Spielkarten seit 1804 in Aachen mit einem Steuerstempel versehen werden, nach 1814 wurde Köln von Preußen übernommen und zunächst ergaben sich keine Veränderungen in der Produktion. In 1821 wünschte der preußische Staat die Kartenproduktion in einem staatlichen Monopol zu vereinheitlichen und beschloß die Schließung aller 8 Kartenfabriken im Rheinland. Der junge Bürgers forderte dafür Schadensersatz, erst die stolze Summe von 40.000 Reichstalern, dann 10.000. Nachdem er schließlich ein Gegenangebot von 2000 Talern ausgeschlagen hatte, wurde ihm 1824 die Weiterproduktion als 7. Kartenproduktionsstätte im Preußen gestattet. Von den anderen 6 waren 3 in Berlin (Baumgärtner, Müllers Erben und Pfeiffer), je eine in Breslau (Tiratscheck), in Naumburg (Sutor) und in Stralsund (v. d. Osten).
Während der schriftlichen Auseinandersetzungen behauptete Bürgers, dass die Fabrik seit 80 Jahren produziere (demnach also schon 1740 bestand) und das er eine Kartenproduktion von mehr als 10.000 Stück pro Jahr habe (erwähnt wird die Zahl "90850 Spiele", vermutlich produziert in seinen eigenen 8-9 Geschäftsjahren).
Unter wechselnden Verhältnissen existierte die Spielkartenfabrik bis zum Tod des letzten Besitzers Franz Rang bis zum Jahre 1937. Im Jahr 1928 wurden 400.000 Spiele produziert, im Jahre 1930 sogar 650.000.
Kölner Spiekartenfabrik
1824: Die Spielkartenfabrik darf fortgeführt werden unter dem Namen "Spielkartenfabrik von Joh. Pet. Bürgers"
1839: Franz Andreas Hubert Kohlhaas heiratet die Tochter von Joh. Heinr. Jac. Bürgers (Maria Sibilla) und wird Teilhaber. Kohlhaas kümmert sich um die assoziierte Tabakfabrik, die Spielkartenfabrik unter Bürgers erlebt ihre Glanzzeit. Die Geschäfte laufen so gut, dass mehrere benachbarte Häuser erworben werden.
1856/57: Sowohl Kohlhaas als auch Bügers versterben und die Witwe Maria Sibilla Kohlhaas führt die Spielkartenfabrik. Die Tabakfabrik wird verkauft.
1863: Adam Kohlhaas, der Sohn von Maria Sibilla Kohlhaas, übernimmt die Fabrik.
1873: Gustav Becker (1823 - 1898) und Carl Felinger (verlässt die Firma 1881) kaufen die Fabrik, Adam Kohlhaas als letzter Spross der Gründerfamilie geht nach Wiesbaden. Die Fabrik wird zur Adresse Klingelpütz 15 verlagert.
1878: Modernisierungsvertrag mit Johann Müller, Schaffhausen.
1881: Neuer Name: "Kölnische Spielkartenfabrik Joh. Pet. Bürgers".
1887: Clemens Becker (verstirbt 1897), der Sohn von Gustav Beckers, wird Mitinhaber
1898: Nach dem Tod von Gustav Becker wird die Fabrik an Franz Rang (1873 - 1937) verkauft. Von 1899 - 1904 wird Heinrich Carl Kütgens Teilhaber. Die Firma bebommt den falschen Zusatz "gegr. 1820".
1937: Mit dem Tod von Franz Rang wird die Firma aufgelöst. |
|
Karte mit Herstellernamen "Bürgers" |
Kölner Tarot
Die sehr vielfältige Produktion der Firma Bürgers kannte auch mindestens 2 Tarock- oder Tarotproduktionen. Während die eine den konventionell anderen Tarockvariationen aus der Zeit entspricht, ist eine zweite als besonders originell hervorzuheben. Franz Braun hält eine Datierung des Decks auf 1845 für plausibel, eine Zeit, in der der Schwiegersohn Franz Albert Hubert Kohlhaas sich weitgehend um eine der Spielkartenfirm assozierte Tabakfabrik kümmerte und Johann Heinrich Jacob Bürgers auf die Spielkartenproduktion konzentrierte. In dieser Zeit (1840 - 1857) entstanden eine Reihe von besonders ungewöhnlichen Blättern und man kann sie als Blütezeit der Firma bezeichnen. Franz Braun rühmt das Spiel als Glanzlicht der Kölner Produktionsstätte, dies auch in technischer Hinsicht mit aufwendiger Drucktechnik (vermutlich Stahlstich) und Kolorierung durch eine größere Anzahl Farben.
- Ein Narr mit Narrenkappe, mit Weinglas und im Hintergrund eine Windmühle
- Europa, Erdteil
- Africa, Erdteil
- Asien, Erdteil
- America, Erdteil
- Rhein, Fluss
- Mosel, Fluss
- Diana, römische Gottheit
- Apollo, römische Gottheit
- Neptun, römische Gottheit
- Mercur, römische Gottheit
- Fortuna, römische Gottheit
- Bachus, römische Gottheit (Bacchus)
- Frühling, Jahreszeit
- Sommer, Jahreszeit
- Herbst, Jahreszeit
- Winter, Jahreszeit
- Saturn, romische Gottheit
- Minerva, römische Gottheit
- Kölsche Bauer (der Colon von Colonia)
- Agrippina (die Gründerin Kölns)
Sküs - in bunter Kleidung und mit Laute
Das Spiel ist sehr selten und wurde vor einigen Jahren auf einer Berliner Auktion vesteigert. Nach den Angaben von Franz Braun erinnerte sich Sigmar Radau, solch ein Spiel im Spielkartenmuseum Alteburg gesehen zu haben, das aus dem Nachlass eines Kölner Sammlers stammte, der die Karten auf Kartonblätter geklebt hatte.
Reizvoll ist die Frage, was sich der Produzent bei seiner Komposition gedacht hatte, wobei es in der Analyse eine Rolle zu spielen scheint, dass der Kölner Karneval im Jahre 1823 - also relativ kurz vorher - zu Leben erwachte und es dabei ein Dreigestirn des Karnevals gab, bestehend aus Bauer, Jungfrau und Prinz. Gleichfalls scheint es von Bedeutung, dass sich Köln - nach einer in wirtschaftlicher Hinsicht relativ dumpfen Periode - in dieser Zeit seiner römischen Ursprünge erinnerte und es anscheinend Mode wurde, darauf aufmerksam zu machen. Der Kölner Stadtteil Ehrenfeld, dessen Entstehung 1845 in einer Kölner Kneipe mit dem Namen "dreckiliger Kaiser" geplant und zügig vollzogen wurde (zeitglich zum Spiel) wies später Besonderheiten wie Helios-Turm, Vulcan-Fabrik, Neptunbad und Hercules-Park auf.
- Prinz (?) - Ein Narr mit Narrenkappe - Prinz (?)
- Raum - Europa, Erdteil
- Raum - Africa, Erdteil
- Raum - Asien, Erdteil
- Raum - America, Erdteil
- Raum/Fluss - Rhein,
- Raum/Fluss - Mosel, Fluss
- Röm. Gott - Diana ... Mond
- Röm. Gott - Apollo ... Sonne
- Röm. Gott - Neptun ... das Meer
- Röm. Gott - Mercur ... Handel
- Röm. Gott - Fortuna ... Glück
- Röm. Gott - Bachus ... Trinken
- Zeit - Frühling, Jahreszeit
- Zeit - Sommer, Jahreszeit
- Zeit - Herbst, Jahreszeit
- Zeit - Winter, Jahreszeit
- Zeit - Saturn wird auf der Karte explizit als "Vater Zeit" mit Sanduhr dargestellt
- Zeit (?) oder Jungfrau (?) - Minerva ... Weisheit/Philosophie/Handwerk
- Kölsche Bauer (der Colon von Colonia)
- Agrippina - Jungfrau (?) oder "Kölsche Urmutter (?) als die Gründerin Kölns
- Prinz (?) oder Narr (?)
- Sküs - in bunter Kleidung und mit Laute
Nach der Analyse scheint es 3 Hauptgruppen Raum (1), römische Götter (2) und Zeit (3) zu geben, die sinnvoll jeweils 6 Elemente enthalten (mit gewissen Fragezeichen für die Rolle der Minerva) und sinnvoll in Reihe von Position 2 - 19 aufeinander folgen. Eine Fokussierung auf den Produktionsort Köln scheint es dabei schon mit den gewählten Flüssen Rhein / Mosel zu geben, reflektiert man die Rolle des "höchsten Gottes" in der 6er-Sequenz (in diesem Fall Bacchus, das Trinken), so scheint auch hier ein besonderes Kölner Phänomen angesprochen zu sein, das sich wesentlich mit dem Element Karneval verbindet. Zu diesen drei Hauptgruppen wird das Kölner Dreigestirn des Karnevals zusammen mit dem Unbekannten Narren gemixt.
Dazu sollte man wissen: Die Regeln des Tarock- oder Tarotspiels kennen viele Varianten, regelmäßig erscheint darin eine besondere Beachtung der Karten 1 (in diesem Falle Prinz, normaler Weise der niedrigste Trumpf, auch Pagat genannt von italienisch "Bagatello") und Karte 21 (in diesem Fall Agrippina als Jungfrau, normal der höchste Trumpf auch "Monde" genannt vom französischen Begriff für "Welt") und der Karte Sküs (Verkürzung von Excuse) oder Narren. In speziellen Regeln einzelner Spielvarianten wird auch die zweithöchste Karte besonders beachtet (in diesem Fall der Kölsche Bauer), so dass es scheint, dass der Produzent des Spiels die Regeln des Spiels gut kannte und sehr selbstbewußt eine Kölner Variation des Spiels schuf und sehr ungeniert Karnevals-Elemente verarbeitete.
Als seltsamer Zufall mag es gewertet werden, daß jüngere Tarot Forschung erwiesen hat, dass das bislang älteste bekannt gewordene Tarotspiel von ca. 1425 (Mailand, Michelino Deck) ebenfalls römische Gottheiten verwandte und sich keineswegs der Standardmotive bediente.
Ein Vergleich mit den gängigen Tarotregeln kann auf der englischsprachigen Seite Pagat.com vollzogen werden.
Andere Spielkartenhersteller in Köln:
Johann Odenthal wohnte im Haus Nr. 1943, Oben Marckpforten. Er wird 1797, 1798 und 1799 als Carten-Fabrik erwähnt, erscheint aber nicht mehr 1807.
Mathias Hilgers: Nach dem Verzeichnis-Tableaux von 1807 existierte die Fabrik 22 Jahre, demnach war sie 1785 gegründet. In den Jahren 1797, 1798 und 1799 wird sie als "Mathias Hilgers seel. Witwe" und als "Spielkartenfabrik" geführt. 1807 wird als Inhaber Jean Joseph Hilgers genannt. Die preußische Bestandsaufnahme (1823) wollte wissen, dass die Fabrik erst seit 1802 bestand und im Jahre 1817 aufgelöst werden sollte. Schließlich wurde eine Entschädigung von 200 Reichstalern für die Einstellung der Produktion gezahlt.
Ludwig Bruckmann begann seine Produktion 1814 und mußte sie 1821 schließen, ebenfalls gegen eine Summe von 200 Reichstalern. Möglicherweise gab es einen neuen Produktionsversuch von seiner Seite nach der Aufhebung des Kartenmonopols im Jahre 1839.
Heinrich und Franz Witthoff erhielten eine Spielkartenkonzession im Jahre 1843. Von einer wirklichen Produktion ist nichts bekannt.
Berhard Steinhausen ist 1848 Spielkartenfabrikant, wird aber 1849 nicht mehr aufgeführt und wird nur als Kartenmacher bezeichnet. Mehrere andere Personen mit dem Namen Steinhausen erscheinen als Kartenmacher.
(nach den Angaben von Franz Braun sind von allen genannten (außer de Firma Bürgers) keine Examplare bekannt).
(autorbis)
|
der Narr im Kölner Tarot
der Rhein
der "Kölsche Bauer" |
|