Dat Nüs vun Kölle
Von Köln - so heißt es - gibt es im 15. Jahrh. so rein gar nichts über Spielkarten, bis auf das unten folgende harmlose Verbot von 1446. Während andere deutsche Städte glänzen mit größeren Häufungen von Spielkartenmachern und zahlreichen Verboten und Rechtsvorfällen und anderen sozialen Ereignissen, heißt es in Köln: "hamma nich, jibbet nich."
Kaum glaubhaft, aber so sieht es aus. Dieses rätselhafte historische Schweigen kann nun verschiedenes bedeuten: Vielleicht war in Köln nun wirklich "tote Hose", was Kartenspielproduktion betrifft, oder aber man hatte in der Fülle der in Köln gegebenen historischen Materialien einfach kein Auge für solche Lächerlichkeiten wie Spielkarten. Oder es war in der Weltstadt Köln allgemeine Toleranz angesagt, so daß es z.B. zu Spielkartenverboten überhaupt nicht kommen konnte. Und das künstlerische Gewerbe war so stark vertreten, dass die vielleicht auch vorhandene, aber weniger anspruchsvolle Produktion im Spielkartenbereich schlicht unterging und immer wieder gar nicht erst erwähnenswert wurde.
Richtig ist, dass die grafische und zeichnerische Produktion des Köln benachbarten Burgund groß und kulturell einflußreich war - auf ganz Europa. Eine rege Kartenspiel-Produktion ist von Tournai seit 1427 überliefert, auch wenn es keine Kartenspiele gibt, die sich erhalten haben. Und Köln stand im Zusammenhang mit diesem großem Nachbarn.
"Dat Nüs vun Kölle" sieht wie folgt aus: W. L. Schreiber in seinem bahnebnenden Werk "Die ältesten Spielkarten und die auf das Kartenspiel Bezug habenden Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts, 1938" vermerkt zu Köln:
"Daß hier das Kartenspielen schon vor der Mitte des 15. Jahrh. gang und gebe gewesen sein muß, beweist eine 1446 erlassene "Morgensprache über die Weinkaufmannschaft", deren § 13 lautet: "Item die kistesitzere (Einnehmer in den Weinschenken) en soilen ouch geyne gesellschaff an yre taiffelen (Tafeln) zo essen setzen, umb syne quarte zu betzailen, off solchs geliichs nyemand an yre taiffelen neymen zo zeiren (zehren) ind sy en soilen och yrs heirschaft knechte noch andere heirschafts kelreknechte an yre Mailtzytstaiffel (Mahlzeitstafel) nyet sitzen essen laissen buyssen (gegen) willen ind geheische yrs heirschafts, noch och geyn dobbelspil noch karten by yn geschien laissen en sollen".
Kartenmacher haben sich bisher, wenigstens unter diesem Namen, nicht nachweisen lassen. |
Außer diesem gibt von der "Kartenmacherliste von Altenburg" (nach den Angaben von Braun, S. 44, 1981 vom Deutschen Spielkartenmuseum zusammengestellt) folgende Personen:
- Meister der Weibermacht, Kunststecher in Köln, ca. 1455
- Franz v. Cöln, Formschneider, Köln 1521
- Anton Woensam, Holzschneider, Köln, nach 1500, gest. 1541
Braun selbst bezweifelt die Relevanz dieser Angaben.
Vom Meister der Weibermacht wird gelegentlich angenommen, dass er der Künstler des Spiels Nr. 4 auf unserer Liste der Spielkarten des 15 Jahrh. war und dabei das Spiel des Meisters der Spielkarten imitierte (Spiel Nr. 3). Schreiber vermutet in dem kopierten Spiel eine Neusser Arbeit und erwähnt den Meister der Weibermacht dabei nicht. Franz von Cöln ist mir unbekannt. Anton Woensam von Worms ist ein bekannter Künstler und ihm ist ein berühmte Städteansicht von Köln 1531 zugeschrieben, die eigentlich jeder Kölner kennt.
Ferner gibt es, allerdings erst fürs 16. Jahrh., drei große Kölner Namen: Meister P.W., Johann Ladenspelder und Johann Bussemecher und jeder der drei genannten ist wahrnehmbar mit einem vollständigen Kartenspiel, was im Rahmen der erhaltenen deutschen Spielkarten schon richtig selten und eigentlich schon richtig viel ist. Man sollte wissen: in Hinsicht auf die Menge alter Spielkarten und auch der Spielkartendokumente ist die Stellung der frühen deutschen Spielkartenproduktion international einmalig, nirgendwo auf der ganzen Welt gibt es mehr davon.
Fernab von Köln, in der internationalen Welt des Internets, tobt die Schlacht um die Herkunft der Tarotkarten. Dies ist eine Debatte, die im Jahre 1781 begann, als der französische Gelehrte Court de Gebelin mutmaßte, dass die Tarotkarten irgendwie aus Ägypten gekommen sein müßten. Später reihten sich andere Ansichten daran: Es waren französische Troubadoure, Templer oder Albiginenser, die sie erfanden, Kaiser Friedrich II. hatte mit ihnen zu tun, es waren Zigeuner, die sie nach Europa brachten, es war Gringonneur, der sie 1392 malte, um den französischen König Karl VI. den Wahnsinnigen aufzuheitern, es war Prinz Fibbia, der das Spiel in Bologna einführte, sie kamen mit fliehenden Griechen, die sie als platonisches Gut von Konstantinopel nach Italien einführten. Oder auch immer wieder Sarazenen, die es gewesen sein sollen. Oder: Aller Ursprung ist in chinesischen Dominokarten zu suchen.
Tatsächlich kamen Spielkarten aus China, wo sie im 12. Jahrh. schon benutzt wurden. Der Mongolenzug, der 1241 das östliche Deutschland erreichte, brachte sie wohl in westliche Regionen. Vermutlich über sarazenische Vermittlung gelangten die Idee zur Spielkarte nach Europa, wahrscheinlich über Spanien, eventuell aber auch über mehr als nur einen Weg. Hier wurde sie manifest in den 70ern des 14. Jahrhundert, plötzlich hagelte es damals von allen Seiten Spielverbote, die ihre Existenz unzweifelhaft belegen. Nur: In der Frühzeit der Spielkarten ist etwas, das den Tarotkarten ähnlich sieht, absolute Mangelware.
(wird fortgesetzt)
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